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La Gomera - die Wilde

Die kanarischen Inseln kannte ich vor unserer Reise nur aus Erzählungen von Freunden und aus meinen zwei Lieblingssendungen "Die Auswanderer" auf VOX und "Auf und davon" auf SRF. Natürlich hatte ich die Inseln auch gegoogelt und wusste, dass Teneriffa knapp eine Million Einwohner, verteilt auf 2'034 km2, hat. Also extrem viele auf wenig Fläche. Als ich dann in Santa Cruz, in der Nähe des Hafens, nach unserer ersten Nacht auf Teneriffa erwachte, traf mich fast der Schlag. Eine riesen Stadt. Auch als wir vom Strand Richtung Berge fuhren, reihten sich Häuser an Häuser. Mir kam es vor als bestehe die Insel nur aus Beton. Und dann noch dieser abartige Verkehr. Unzählige Autos suchten sich ihren Weg durch die Strassen. Wir absolvierten dann unsere erste Besichtigungstour auf dem Rennvelo und fuhren weiter in die Berge im Norden der Insel. Die Passstrassen waren wunderschön und die Aussicht auf den Atlantik bezaubernd. Erst als wir wieder durch besiedeltes Gebiet fahren mussten kam wieder dieses beklemmende und einengende Gefühl in mir hoch. Was mich vor allem nachdenklich stimmte, waren die vielen leerstehenden Häuser. Ja, zum Teil ganze Geisterdörfer von Zweitwohnungen. Auch die grossen Mauern und Zäune um die Häuser und die vielen Warnschilder von Alarmanlagen, an praktisch jedem Haus, wirkten auf mich wie aus einem gruseligen Krimi. Entweder gibt es auf Teneriffa extrem viele böse Menschen oder das Gefälle zwischen Arm und Reich ist hoch und die, die zu viel haben, müssen den Reichtum schützen? Auf mich wirken solche Sachen total traurig und das negative Karma färbte auf mich ab. Ich machte mir Sorgen um Sämi, wenn wir ihn, in der Nähe von Menschen, für ein paar Stunden stehen liessen. 

 

Zum Glück fanden wir ein paar schöne, weniger besiedelte Flecken, wo wir ungestört parken und wohnen konnten. Auch verbrachten wir drei Nächte an einem wunderschönen Plätzchen im Nationalpark del Teide. Wir hatten dort oben unsere Ruhe, kühle Nächte und atemberaubende Sonnenauf- und untergänge. Ich genoss viele, herrliche Ausfahrten mit meinem Rennvelo. Und das Grandiose sind die vielen Höhenmeter, welche man auf wenigen Kilometern absolvieren kann. Denn Teide Nationalpark erklomm ich mehrere Male auf diversen Strassen. Die Strassen waren in einem sehr guten Zustand und je nachdem wo und um welche Uhrzeit, konnte man die Steigungen ohne viel Verkehr geniessen. Ich liebe es,  einfach stundenlang mit dem Rennvelo Berge hochzufahren. Und ab und zu schaffe ich es in das sogenannte Runnershigh. Dann fühlt es sich an, als schwebe ich über mir und schaue von Oben wie ich einen Berg hochfahre. Flow und pures Glück total vereint. Was wir noch so alles für schöne Sachen auf Teneriffa erlebten, hat euch Roger im letzten Blog bereits erzählt.

 

Nun sind wir seit einer Woche auf La Gomera. Diese Insel kannte ich aus einer Dok im SRF über Aussteiger, welche hier angeblich in Höhlen wohnen. Bisher sind wir diesen aber noch nicht begegnet. Und ja, ich muss sagen, das Karma auf La Gomera ist wirklich tausendmal besser als auf Teneriffa. Schon als wir den Hafen in San Sebastian mit der Fähre erreichten und mit Sämi das enge und steile Strässchen im Dunkeln hoch fuhren, fühlte es sich irgendwie viel lockerer an. Die erste Nacht verbrachten wir mutterseelenalleine direkt an einem Strand. Wir fuhren dann mit Sämi weiter in die Berge und waren überwältigt von der wechselnden Fauna und Flora. Als wir in den Nationalpark de Garajonay fuhren war es plötzlich total grün, neblig und ein kühler Wind blies. Kein Wunder wird dieser üppige und dichte Wald, Nebelwald, genannt. Beim Aussichtspunkt Igualero fanden wir ein schönes Plätzchen für die nächsten Nächte. 

 

Unsere erste Erkundungstour absolvierten wir wieder mit dem Rennvelo. Auf knapp 50 km kamen bereits 1600 Höhenmeter dazu. Also genau nach meinem Geschmack. Hier hat man als Velofahrer wirklich seine Ruhe. Wunderschöne Strässchen durch dichte Wälder, über Küstenstrassen, windige Pässe und unzählige Serpentinen. Es geht praktisch immer lange bergauf und dann in ein nächstes Tal wieder über 1000 Tiefenmeter runter. In den kleinen Dörfer kann man den Energiehaushalt in einem Café jeweils bei einem Cappuccino und Croissant oder Sandwich wieder füllen, bevor man den nächsten Anstieg in Angriff nimmt.

 

Auch zum Biken entdeckten wir coole Wanderwege, welche zum Teil richtig anspruchsvoll sind und jedes Bikerherz höher schlagen lassen. Leider war unsere erste Biketour nur von kurzer Dauer. Rogers Tublessreifen am Hinterrad war nicht mehr dicht. Also Schlauch rein und los. Leider war nach wenigen Kilometern Abfahrt bereits wieder Schluss. Ein klassischer Snakebite. Mit Schlauch im Reifen machen die Trails hier keinen Sinn. Zum Glück fanden wir vor zwei Tagen einen Bikemechaniker, welcher noch einen Pneu hatte und Rogers Bike wieder auf Vordermann brachte. Nun hat er zwar einen Crosscountry Racepneu, statt dem Hans Dampf. Aber immerhin wieder Tubless. 😏

 

Die letzten zwei Tage erkundeten wir die Insel zu Fuss auf den gut erhaltenen und super ausgeschilderten Wanderwegen. Zum ersten Mal, seit wir hier sind, war im Nebelwald kein Nebel. Wir kamen beim Durchqueren des Nationalparks also in den Genuss von einer wunderschönen Aussicht. Nur die enorme Hitze auf gewissen Abschnitten machte mir etwas Mühe. Übernachtet haben wir in unserem Biwakzelt inmitten von Palmen. Erst am nächsten Morgen merkten wir, dass rund um unseren Biwakplatz jede Menge Bienenhäuser stehen. Für mich als Schwerallergikerin nicht gerade der ideale Ort für ein Biwak. Zum Glück schliefen die Bienen bei unserer Ankunft bereits und erwachten erst, als wir uns wieder auf den Weiterweg machten. 

 

Unser Sämi steht nun am Ende des Valle Gran Rey direkt an der Strandpromenade. Während ich diesen Blog schreibe chillt Roger am Strand und ich geniesse das Rauschen der Wellen. Und wer weiss, vielleicht zieht es sogar mich irgendwann doch noch ins Wasser. 

 

Pura vida

Cristina

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